Der Fuckl







Und so begab es sich das der königliche Geheimdienst die Macht an sich gerissen hatte. An der Spitze dieser Organisation stand eine Frau deren Gedanken sich zu einem großen Teil um ihr Aussehen rankten. Der König hatte herausgefunden das der Dienst, ohne sein Wissen, mittels magischer Spiegel die Möglichkeit erhalten hatte jedwede Unterhaltung im Land mitzuverfolgen. Als die Leiterin des Geheimdienstes über ihren privaten Prism Spiegel, mit dem sie die Gespräche des Königs mitverfolgte, erfuhr das dem Dienst die Mittel gekürzt und sie selbst abgesetzt werden sollte, entschied sie sich zu handeln.

Kurzerhand nahm sie sich ihren persönlichen Assistenten und stürzte den König, immerhin 400 Zentner schwer, aus dem Fenster seines Thronsaals. Dies gelang ihnen weniger durch tragen als viel mehr durch schieben. Glücklicherweise lag der Thronsaal in der Belle Etage sodass der König nur ein paar Kratzer davon zog. Dies vermochte die Pläne der Geheimdienst Chefin aber nur kurz zu durchkreuzen. In der Presse ließ sie verlauten das der König einen Selbstmordversuch unternommen habe und zu seinem eigenen Schutz in der Psychatrie untergebracht werden müsse. Da er noch alleinstehend war müssten die Staatsgeschäfte von der einzig befähigten Person übernommen werden, und das wäre ja wohl unzweideutig sie selbst.

Als erste Amtshandlung verfügte sie die totale Überwachung der Telekommunikation, schließlich sei man ständig von Terrorismus und Kinderpornografie bedroht. Desweiteren verfügte sie eine Volkszählung. Dazu waren sämtliche Untertanen angehalten an den Ort ihrer Geburt zu reisen. Natürlich war diese Maßnahme vollkommen unnötig, man verfügte ja über die Prism Spiegel. Es ging hier viel mehr darum die Untertanen zu beschäftigen und somit jeglichen Widerstand im Keime zu ersticken.

Und so kam es dass ein jung verheiratetes Paar sich auf den Weg in eine ihnen unbekannte Stadt machte. Durch das, von der neuen Königin durchaus beabsichtigte, Chaos waren nirgend mehr freie Zimmer zu finden. Deshalb fand das Paar Unterschlupf in einer überteuerten Kemenate mit einigen tierischen Mitbewohnern, von denen die verlauste Katze, noch die am wenigsten ekelerregendste Kreatur war.

Ein nicht ganz unwichtiger Umstand darf hier nicht vergessen werden, der weibliche Teil des jungen Paares war Schwanger und stand kurz vor der Geburt. Glücklicherweise hatten beide vor ihrer Abreise eine Hebamme ausfindig machen können die sich bereit erklärte die Geburt zu begleiten. Und so kam es, wie es kommen musste. In einer, weder unheilvollen noch heiligen, Nacht wurde ein Kind geboren. Es war mit einer Haut weiß wie Schnee und mit Haaren schwarz wie Ebenholz geboren worden. Die Eltern, wohl weil ihnen in ihrer Einfalt kein besserer Name einfiel, nannten das Kind Schneewittchen.

Nachdem die frischgebackenen Eltern Zeugniss abgelegt hatten reisten sie in ihre Heimat zurück. Dort wuchs das Kind heran. In dieser Zeit änderten sich weder die Hautfarbe noch die Farbe der Haare des Kindes. Was wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen war das es sich meist im Hause aufhielt, da ihre Eltern sie von der bösen Welt da draußen abschirmen wollten. Auch aufgrund dieses Umstands näherte sich Schneewittchen dem Schönheitsideal ihrer Zeit schnell an, sie wuchs nicht nur in die Höhe sondern auch in die Breite.

Während also Schneewittchen einsam, sich hauptsächlich mit klassischer Literatur beschäftigend, zu hause Aufwuchs, und immer mehr dem damals gängigen Schönheitsideal zu entsprechen begann, machte man sich an anderer Stelle, nämlich im ehemals Königlichen Palast, ganz andere Sorgen. In den letzten Jahren, in denen die ehemalige Leiterin des Geheimdienstes sämtliche nahen und fernen Verwandeten des Königs die Ihr den Thron hätten streitig machen können für unmündig erklären hatte lassen, hatte sich die Prism Spiegeltechnik weiterentwickelt so das nicht nur Audio- sondern auch Videoverbindungen möglich waren. Darüber hinaus hatten die führenden Magier eine unbestechliche Instanz erschaffen die in der Lage war, völlig ohne subjektive Einflüsse, Fragen zu beantworten.

Der Name dieser Instanz war "Orakel von Kaffeebohnen aus Indonesien". Sie wurde in kleinen grauen Kästen aufbewahrt. Täglich wurden sie von der neuen Königin konsultiert und mit der Frage "Orakel von Kaffeebohnen aus Indonesien an der Wand sag mir: Wer ist die schönste im ganzen Land" belästigt.

Da mittlerweile der größte Teil der Haushaltsmittel des Königreichs für den Geheimdienst aufgewandt worden war zerfiel nicht nur die Infrastruktur des Landes, nein, auch die anderen Staatlichen Institutionen wurden vernachlässigt und konnten kaum noch ihrer Arbeit nachgehen. Um dem fast unausweichlichen Bankrott zu entgehen wurden viele dieser Bereiche, die vorher in staatlicher Hand waren privatisiert. Dazu gehörten nicht nur die Boten, welche Mitteilungen von Einwohner zu Einwohner überbrachten sondern auch der öffentliche Nahverkehr und die Polizei.

Aber zurück zu unserer Königin und ihrem "Orakel von Kaffeebohnen aus Indonesien" und damit zu den Sorgen die den Palast in letzter Zeit so in Atem hielten. Die Antworten des "Orakel von Kaffeebohnen aus Indonesien" waren nicht mehr befriedigend. Wo früher die Antwort noch eindeutig war: "Sie meine Königin, Sie sind die schönste im ganzen Land" lautete sie jetzt "Sie meine Königin, sie sind nur noch die zweit schönste im ganzen Land. Schneewittchen, hinter den sieben Zweigen ist noch schöner als Sie, ihro Majestät".

Dummerweise war der Geheimdienst zwar mit unglaublich großen Finanziellen Mitteln ausgestattet, allerdings waren so gut wie alle Mitarbeiter im Innendienst beschäftigt. Durch die Überwachung mit den Prism Spiegeln war die Notwendigkeit für Einsätze außerhalb der Geheimdienst Zentrale weg gefallen. So konnte die Königin zwar einfach ermitteln lassen wo sich dieses Schneewittchen aufhielt, aber es gab niemanden der etwas gegen dieses impertinente Gör unternehmen konnte. Da hatte sich die Privatisierung der Polizei wieder einmal gerächt!

Es blieb also nichts anderes übrig als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle nochmals wiederholen dass das Schönheitsideal der Zeit sehr Barock war. Die Königin hatte es seit ihrer Machtübernahme auf einen ansehnlichen Körperumfang gebracht. Die königliche Kutsche war aufgrund der hohen Staatsverschuldung verkauft worden. Die stattlichen Rösser welche diese gezogen hatten wurden, weil nutzlos geworden, zu vorzüglicher Salami verarbeitet. Auch die Pferde und Fahrzeuge der Palastwache waren aufgrund der finanziellen Notlage entweder verkauft oder zu Wurst verarbeitet worden. Allerdings war die Wurst aus Kutschen auf dem Markt nicht so gut aufgenommen worden wie erhofft, weshalb man diese Art der Verwertung von Gebraucht Kutschen beendet hatte.
Wegen des mittlerweile privatisierten öffentlichen Nahverkehrs gab es auch keine Haltestelle der Kutschengesellschaft mehr in der nähe des Palasts. Das Passagieraufkommen vom und zum Palast hatte nach der Machtübernahme stark abgenommen.

Es blieb ihr also nichts anderes übrig als zu laufen. Die große Anstrengung, schon auf den ersten Metern überforderte den Kreislauf der Königin so sehr das sie zusammenbrach und ins Koma fiel.

Nach kurzer Zeit verbreitete sich die Botschaft von der im Koma liegenden Königin im ganzen Land.
Die Reformkräfte konnten sich gegen den internationalen Währungsfond durchsetzten und übernahmen die Macht im Land. Zwar dauerte es ein Weile bis sich die Idee der Demokratie in den Köpfen der Untertanen, die nun zu Bürgern wurden, festgesetzt hatte.
Durch die wirkungsvolle parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes konnten alle Prisma Spiegel zerstört werden. Einzig das "Orakel von Kaffeebohnen aus Indonesien" wurde weiter genutzt.

Leider wandelte sich auch das Schönheitsideal durch die Umbrüche die im Königreich, das nun zu einer demokratischen Nation geworden war, vonstatten gegangen waren. Schneewittchen, die zu einer stattlichen Frau herangewachsen war, entsprach diesem in keinster Weise mehr. Einsam und verarmt, starb sie bald nach der zweiten Wahlperiode, wie übrigens auch die frühere Königin, die aus ihrem Koma nicht mehr erwachte.

Schneewittchens Rolle in der Befreiung ihres Landes wurde nie gewürdigt, da die Königin diesen Teil der Geschichte mit sich ins Grab nahm.